ChatGPT-FAQ für Kanzleien: Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick
Von Tom Braegelmann
Schon einmal vorweg: ChatGPT kann und wird Anwälte und Anwältinnen nicht ersetzen können – aber Kanzleien können sich mit ChatGPT das Leben einfacher machen und effizienter arbeiten, wenn sie den Chatbot richtig einsetzen. Doch was kann ChatGPT schon gut und woran scheitert der Chatbot? Wieso kann ChatGPT deutsches Juristenjargon? Wo ist der Unterschied zwischen ChatGPT und Bings Chatbot? Tom Braegelmann beantwortet Ihnen diese und weitere Fragen in unseren FAQ zu ChatGPT.
1. Was ist ChatGPT?
ChatGPT ist ein Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Es wurde trainiert, um natürliche Sprache zu verstehen und um menschenähnliche Konversationen zu führen. ChatGPT basiert auf dem GPT-3- bzw. GPT-4-Modell und verwendet Deep-Learning-Algorithmen, um auf eine Vielzahl von Themen antworten und menschenähnliche Antworten generieren zu können.
2. Wie funktioniert ChatGPT genau?
Die Technologie hinter ChatGPT arbeitet mit künstlichen neuronalen Netzen, die lose auf den Funktionsweisen des menschlichen Gehirns basieren. Sie bestehen aus einer großen Anzahl an Neuronen (Verarbeitungseinheiten), die miteinander verbunden sind, um Muster in Daten zu erkennen und daraus zu lernen. ChatGPT wird auf Basis einer riesigen Menge von Textdaten aus dem Internet vortrainiert. In dieser Phase lernt das Modell, wie Sprache funktioniert.
3. Wie kann ich ChatGPT nutzen?
4. Was ist ChatGPT nicht?
ChatGPT ist keine Juristen und kein Jurist und kann kein Jura. Es hat keine Modelle von juristischen Problemen oder juristischen Argumentationen und kann nicht denken. Es kann aber juristischen Text umformulieren, ausformulieren, zergliedern und beantworten. Alles was es ausgibt, erzeugt es anhand von Wahrscheinlichkeiten und vorhandenen Datenbeständen. ChatGPT berechnet, was die wahrscheinlichste Antwort ist, die einem Nutzer oder einer Nutzerin gefällt und die dieser bzw. diese brauchbar finden wird.
Das Ganze ist keine juristische Suchmaschine und keine juristische Datenbank. Es ist vielmehr ein Werkzeug zur Bearbeitung und Erzeugung von Texten. Zu diesen Texten gehören auch juristische Texte. Mehr zu den Grenzen von ChatGPT lesen Sie hier.
5. Was ist der Unterschied zu Copilot (ehemals Bing Chat)?
Der Chatbot von Bing, Copilot, gibt kürzere Antworten als ChatGPT, hat aber den großen Vorteil, dass er im Gegensatz zu ChatGPT live das Internet durchsucht und bereits in der frei zugänglichen Version die GPT-4-Technologie verwendet. ChatGPT ist datentechnisch aktuell auf dem Stand von April 2023 und kann zwar inzwischen über die Browsing-Funktion das aktuelle Internet mit Bing durchsuchen – diese Funktion steht unbegrenzt allerdings nur für ChatGPT Plus User:innen zur Verfügung.
Man kann in Copilot auch mit einem SplitScreen Websites verarbeiten, ob Gerichtsurteile oder auch Kommentare aus juristischen Datenbanken. Da mittlerweile auch viele juristische Texte und vor allen Dingen Urteile der Bundesgerichte online abrufbar sind, ist hier häufig eine höhere juristische Genauigkeit erzielbar. Sie können selber überprüfen, ob Sie die von Copilot erzeugten Links und die darin enthaltenen und auch von dem Bot benutzten Inhalte für plausibel, reputabel und nützlich halten.
Copilot bietet zudem die Möglichkeit, einen Unterhaltungsstil auszuwählen (Kreativ, Ausgewogen, Genau).
Auf der anderen Seite liegt die Stärke von ChatGPT im Vergleich zu Copilot darin, dass ChatGPT mit größeren Mengen juristischer Texte umgehen kann. Das heißt, man kann sich auch lange Texte zusammenfassen lassen, andere Argumente gegenüberstellen, eine Gegenposition formulieren etc.
6. Wie nutze ich Copilot?
7. Was kann Gemini (ehemals Google Bard)?
Googles Chatbot namens Gemini ist wie ChatGPT ein KI-basierter Chatbot (von Google auch „collaborative AI service” genannt, also in etwa: „kollaborativer KI-Dienst”), der Googles eigenes, gleichnamiges Sprachmodell nutzt.
Auch Gemini neigt zu Halluzinationen, zeichnet sich aber dadurch aus, dass er mit der Google Suche verbunden ist, also in Echtzeit externe Quellen aus dem Internet verarbeiten und darauf verweisen kann. Fragen kann man Gemini zum Beispiel danach, was die Bedingungen für eine Insolvenzantragspflicht sind oder wie die KI-Regulierung für Europa aussehen wird. Im Unterschied zu der kostenlosen Version von ChatGPT merkt man, dass der Bot durch aktuelle Internetrecherche auf dem neuesten Stand gehalten wird. Es gibt auch einen Button, mit dem man den Inhalt, den man mit dem Prompt erzeugt hat, gleich nachgoogeln kann
Mehr zum Einsatz von Gemini in der Kanzlei erfahren Sie auf ki-in-kanzleien.de.
8. Wie nutze ich Gemini?
Um Gemini nutzen zu können, müssen sie ein Google-Konto bei Google anlegen. Nachdem Sie das Google Konto auf der Google Website erstellt haben, bitte einloggen und dann einfach auf folgende Website gehen: https://gemini.google.com/app
9. Was sind LLMs?
Nicht zu verwechseln mit LL. M., dem Master of Law – LLM ist eine Abkürzung für large language model. Das sind riesige Ansammlungen von Texten, insbesondere aus Wikipedia und anderen großen Sammlungen, an denen die Algorithmen trainiert wurden.
10. Warum können diese Chatbots Deutsch?
Insbesondere deswegen, weil die Chatbots als zweitgrößten Bestandteil die deutsche Wikipedia haben.
11. Warum können diese Chatbots deutschen Juristenjargon/Juristendeutsch (simulieren)?
Das hat wohl teilweise mit Wahrscheinlichkeiten zu tun. In einem Text, in dem schon Wörter wie Kreditwesengesetz und Darlehen und Grundschuld vorkommen, wird es statistisch wenig wahrscheinlich sein, dass darin auch Wörter wie Zitronenlimonade oder Kaugummi vorkommen, und vice versa. Anscheinend hängen die Vokabeln aus dem Juristendeutsch auch statistisch nah beieinander.
12. Wird ChatGPT die Anwaltschaft abschaffen? (Antwort: NEIN!)
In dieser Form können ChatGPT & Co. die Anwaltschaft nicht abschaffen. Allein schon deswegen, weil damit nur Text erzeugt, gelesen, analysiert, gegliedert, umgeformt und dergleichen wird. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der anwaltlichen Tätigkeit. Wichtig ist vielmehr, im Rahmen der Rechtsberatung, aber auch im Rahmen der Rechtsprechung, herauszufinden, was eigentlich wirklich passiert ist. Die Erstellung und Erzeugung des Sachverhaltes als Text erfordert eine Untersuchung der Wirklichkeit, selbstverständlich anhand juristischer Kriterien (das Wichtige vom Unwichtigen trennen, wie es heißt).
Es gilt wieder das alte Prinzip: garbage in, garbage out. Kopiere ich juristischen Müll oder einen fehlerhaften oder falschen Sachverhalt in ChatGPT, kann auch nur etwas Falsches herauskommen.
13. In welchen Bereichen können ChatGPT und Bing schon gut von Kanzleien eingesetzt werden?
In folgenden Bereichen können beide Chatbots schon sehr gut eingesetzt werden:
- Juristische Texte, die man entweder in Schreiben der Gegenseite, in Urteilen oder juristischer Literatur findet, untersuchen, zusammenzufassen, oder dazu Gegenpositionen entwickeln.
- Sachverhaltsbeschreibungen vereinfachen, zusammenfassen oder auch ergänzen.
- Textdokumente, die Sie als Vorlage haben, mit Hilfe von ChatGPT umwandeln, ergänzen und dergleichen.
- Vertragsklauseln erstellen oder verbessern lassen.
14. An welchen Aufgaben scheitert ChatGPT?
ChatGPT scheitert regelmäßig daran, die Wirklichkeit zu erfassen. Sie müssen die Welt der Wirklichkeit erst in Text gießen oder woanders einen Text dazu finden, um mit dem Bot zu arbeiten. Diese Bots sind auch nicht wirklich juristisch kreativ, sondern geben im Prinzip nur das wieder, was sie an juristischen Argumentationen und juristischen Texten finden. Juristische Fallbearbeitung, Rechtsberatung und auch Rechtsprechung sind aber in ganz wesentlichen Teilen, auch wenn sie sich auf eine stabile Rechtslage beziehen, kreativ, weil sie regelmäßig einen neuen Sachverhalt mit verschiedenen Rechtsgebieten in Beziehung setzen.
15. Welche Vorsichtsmaßnahmen sollte man bei der Nutzung von ChatGPT hinsichtlich des Datenschutzes beachten?
Bitte beim Umgang mit Bots und Dialogsystemen immer beachten: Datenschutz personenbezogener Daten, Anwaltsgeheimnis, Urheber- und andere IP-Rechte, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind immer streng zu wahren. Höchste Sorgfalt und Obacht sind geboten beim Hineinkopieren von Texten in diese Plattformen; grundsätzlich sollte das immer anonymisiert erfolgen.
Tom Braegelmann ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Annerton. Er ist ein international erfahrener Insolvenz- und Restrukturierungsexperte, war zuvor für namhafte Wirtschaftskanzleien tätig und ist sowohl in Deutschland als auch in den USA als Anwalt zugelassen. Als Anwalt mit Schwerpunkt auf Bankruptcy Law/Insolvenz- und Urheberrecht war er über drei Jahre in New York tätig. Tom Braegelmann ist bestens vertraut mit den neuesten technologischen juristischen Entwicklungen, insbesondere mit der Digitalisierung des Wirtschafts-, Restrukturierungs- und Insolvenzrechts.Tom Braegelmann
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