ChatGPT FAQ für Kanzleien: Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einem Blick

von Tom Braegelmann

Schon einmal vorweg: ChatGPT kann und wird Anwälte und Anwältinnen nicht ersetzen können – aber Kanzleien können sich mit ChatGPT das Leben einfacher machen und effizienter arbeiten, wenn sie den Chatbot richtig einsetzen. Doch was kann ChatGPT schon gut und woran scheitert der Chatbot? Wieso kann ChatGPT deutsches Juristenjargon? Wo ist der Unterschied zwischen ChatGPT und Bings Chatbot? Tom Braegelmann beantwortet Ihnen diese und weitere Fragen in unseren FAQ zu ChatGPT.

Bild: Adobe Stock/Timon
Bild: Adobe Stock/Timon

1. Was ist ChatGPT?

ChatGPT ist ein Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Es wurde trainiert, um natürliche Sprache zu verstehen und um menschenähnliche Konversationen zu führen. ChatGPT basiert auf dem GPT-3- bzw. GPT-4-Modell und verwendet Deep-Learning-Algorithmen, um auf eine Vielzahl von Themen zu antworten und menschenähnliche Antworten zu generieren.

2. Wie funktioniert ChatGPT genau?

Die Technologie hinter ChatGPT arbeitet mit künstlichen neuronalen Netzen, die lose auf der Funktionsweise des menschlichen Gehirns basieren. Sie bestehen aus einer großen Anzahl von Neuronen (Verarbeitungseinheiten), die miteinander verbunden sind, um Muster in Daten zu erkennen und daraus zu lernen. ChatGPT wird auf einer riesigen Menge von Textdaten aus dem Internet vortrainiert. In dieser Phase lernt das Modell, wie Sprache funktioniert.

Für Leute, die keine Software-Ingenieur:innen sind, findet sich die am ehesten verständliche technische Erklärung bei Stephen Wolfram.

3. Was ist ChatGPT nicht?

ChatGPT ist kein Jurist und kann kein Jura. Es hat keine Modelle von juristischen Problemen oder juristischen Argumentationen und kann nicht denken. Es kann aber juristischen Text umformulieren, ausformulieren, zergliedern und beantworten. Alles was es ausgibt, erzeugt es anhand von Wahrscheinlichkeiten und vorhandenen Datenbeständen. ChatGPT berechnet, was die wahrscheinlichste Antwort ist, die einem Nutzer oder einer Nutzerin gefällt und die dieser bzw. diese brauchbar finden wird.

Das Ganze ist keine juristische Suchmaschine und keine juristische Datenbank. Es ist vielmehr ein Werkzeug zur Bearbeitung und Erzeugung von Texten. Zu diesen Texten gehören auch juristische Texte. Mehr zu den Grenzen von ChatGPT lesen Sie hier. 

4. Was ist der Unterschied zu Bing Chat?

Der Chatbot von Bing, Bing Chat, gibt kürzere Antworten als ChatGPT, hat aber den großen Vorteil, dass er im Gegensatz zu ChatGPT live das Internet durchsucht und zu Rate zieht. Da mittlerweile auch viele juristische Texte und vor allen Dingen Urteile der Bundesgerichte online abrufbar sind, ist hier häufig eine höhere juristische Genauigkeit erzielbar. Sie können selber überprüfen, ob Sie die von Bing Chat erzeugten Links und die darin enthaltenen und auch von dem Bot benutzten Inhalte für plausibel, reputabel und nützlich halten.

Auf der anderen Seite ist die Stärke von ChatGPT im Vergleich zu Bing Chat, dass ChatGPT größere juristische Textmassen bearbeiten kann. Das heißt, man kann sich auch lange Texte zusammenfassen lassen, anderen Argumenten gegenüberstellen, eine Gegenposition formulieren etc.

5. Was sind LLMs?

Nicht zu verwechseln mit LL. M., dem Master of Law – LLM ist eine Abkürzung für large language model. Das sind riesige Ansammlungen von Texten, insbesondere aus der Wikipedia und anderen großen Sammlungen, an denen die Algorithmen trainiert wurden.

6. Warum können diese Chatbots Deutsch?

Insbesondere deswegen, weil die Chatbots als zweitgrößten Bestandteil die deutsche Wikipedia haben.

7. Warum können diese Chatbots deutschen Juristenjargon/Juristendeutsch (simulieren)?

Das hat wohl teilweise mit Wahrscheinlichkeiten zu tun. In einem Text, in dem schon Wörter wie Kreditwesengesetz und Darlehen und Grundschuld vorkommen, wird es statistisch wenig wahrscheinlich sein, dass darin auch Wörter wie Zitronenlimonade oder Kaugummi vorkommen, und vice versa. Anscheinend hängen die Vokabeln aus dem Juristendeutsch auch statistisch nah beieinander.

8. Wird ChatGPT die Anwaltschaft abschaffen? (Antwort: NEIN!)

In dieser Form können ChatGPT & Co. die Anwaltschaft nicht abschaffen. Allein schon deswegen, weil damit nur Text erzeugt, gelesen, analysiert, gegliedert, umgeformt und dergleichen wird. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der anwaltlichen Tätigkeit. Wichtig ist vielmehr, im Rahmen der Rechtsberatung, aber auch im Rahmen der Rechtsprechung, herauszufinden, was eigentlich wirklich passiert ist. Die Erstellung und Erzeugung des Sachverhaltes als Text erfordert eine Untersuchung der Wirklichkeit, selbstverständlich anhand juristischer Kriterien (das Wichtige vom Unwichtigen trennen, wie es heißt).

Es gilt wieder das alte Prinzip: garbage in, garbage out. Kopiere ich juristischen Müll oder einen fehlerhaften oder falschen Sachverhalt in ChatGPT, kann auch nur etwas Falsches herauskommen.

10. In welchen Bereichen können ChatGPT und Bing schon gut von Kanzleien eingesetzt werden?

In folgenden Bereichen können beide Chatbots können schon sehr gut eingesetzt werden:

  • Juristische Texte, die man entweder in Schreiben der Gegenseite oder in Urteilen oder juristischer Literatur findet, zu untersuchen, zusammenzufassen, oder dazu Gegenpositionen zu entwickeln.
  • Sachverhaltsbeschreibungen vereinfachen, zusammenfassen oder auch ergänzen.
  • Textdokumente, die Sie als Vorlage haben, mit Hilfe von ChatGPT umwandeln, ergänzen und dergleichen.
  • Vertragsklauseln erstellen oder verbessern lassen.

Einen Überblick über die verschiedenen Einsatzbereiche von ChatGPT in der Kanzlei mit Anwendungsbeispielen finden Sie hier. 

10. An welchen Aufgaben scheitert ChatGPT?

ChatGPT scheitert regelmäßig daran, überhaupt die Wirklichkeit zu erfassen. Sie müssen die Welt der Wirklichkeit erst in Text gießen oder woanders einen Text dazu finden, um mit dem Bot zu arbeiten. Diese Bots sind auch nicht wirklich juristisch kreativ, sondern geben im Prinzip nur das wieder, was sie an juristischen Argumentation und juristischen Texten finden. Juristische Fallbearbeitung, Rechtsberatung und auch Rechtsprechung sind aber in ganz wesentlichen Teilen, auch wenn sie sich auf eine stabile Rechtslage beziehen, kreativ, weil sie regelmäßig einen neuen Sachverhalt mit verschiedenen Rechtsgebieten in Beziehung setzen.

11. Gibt es neben ChatGPT und Bing noch andere vergleichbare Chatbots?

Es gibt andere Chatbots, z. B. den von you.com – diese sind auch durchaus leistungsfähig, auch wenn er derzeit noch kürzere Antworten gibt. Er ist interessant, weil er auch live das Internet durchforstet, aber nicht via Bing (denn Bing ist keine so gute Suchmaschine), sondern anscheinend unter Zugrundelegung von Google. Insofern kann dieser Bot auch noch aktueller sein als Bing Chat.

12. Was machen Google und andere Mitbewerber? Kann man hier eine ähnlich gute Technologie erwarten?

Google und Meta haben, wie man liest, eigentlich genauso gute Sprachmodelle wie ChatGPT, setzen diese jedoch nicht als Chatbot zur Textverwandlung und -verarbeitung ein, sondern versuchen damit, Inhalte zu moderieren (YouTube, Facebook) oder Suchergebnisse zu verbessern.

Tom Braegelmann

Tom Braegelmann ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Annerton. Er ist ein international erfahrener Insolvenz- und Restrukturierungsexperte, war zuvor für namhafte Wirtschaftskanzleien tätig und ist sowohl in Deutschland als auch in den USA als Anwalt zugelassen. Als Anwalt mit Schwerpunkt auf Bankruptcy Law/Insolvenz- und Urheberrecht war er über drei Jahre in New York tätig. Tom Braegelmann ist bestens vertraut mit den neuesten technologischen juristischen Entwicklungen, insbesondere mit der Digitalisierung des Wirtschafts-, Restrukturierungs- und Insolvenzrechts.

Sie sind gefragt!

Haben Sie ChatGPT auch schon bei sich in der Kanzlei eingesetzt und gute Erfahrungen gemacht? Haben Sie Lust, Ihr Wissen weiter zu geben? Melden Sie sich gerne bei uns.

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