Neu im KI-Angebot: Google Bard und Labs für Google Workspace

Von Tom Braegelmann

Die Bots vermehren sich: Im Bereich der auf KI basierenden Bots (vornehm auch „Dialogsysteme” genannt) wagt Google neue Schritte. Mit Bard und Labs for Workspace präsentiert das Unternehmen innovative Lösungen, die auf den Einsatz von KI im Alltag abzielen. Botbeschwörer Tom Braegelmann hat die beiden Anwendungen bereits vor dem offiziellen Start in Deutschland (Google Bard ist seit Juli in Deutschland verfügbar, Google Labs nur auf Einladung) getestet und verrät, in welchen Bereichen sie sich schon für Anwälte und Anwältinnen eignen – und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Es ist zu erwarten, dass die Bots von Google auch in Deutschland in scharfe Konkurrenz zu ChatGPT und BingChat treten werden.

Google Bard und Labs
Adobe Stock/©gguy

Google Bard – Einführung und Unterschiede zu ChatGPT

Google Bard ist wie ChatGPT ein KI-basierter Chatbot (von Google auch „collaborative AI service” genannt, also in etwa: „kollaborativer KI-Dienst”), der Googles eigenes großes  Sprachmodell LaMDA („Language Model for Dialogue Applications“, also in etwa „Sprachmodell für Dialoganwendungen”) nutzt. Geplant ist, den Bot bald auf ein noch stärkeres Sprachmodel namens PaLM (Pathways Language Model) umzustellen. Der Bot wurde nach William Shakespeare benannt, weil der auch als „Bard of Avon“ bezeichnet wird. Warum nun Shakespeare Taufpate wurde, kann wohl nur Googles Marketingabteilung beantworten, es soll wohl irgendwie nach einem kreativen Algorithmus als Geschichtenerzähler klingen.

ChatGPT ist der andere Chatbot, der von OpenAI, schon seit Ende 2022 für Nutzer und Nutzerinnen zugänglich ist (kostenlos in Version GPT-3.6, kostenpflichtig mit GPT-4) und der mit Texten und Daten bis zum Jahr 2021 trainiert wurde. (ChatGPT weiß also nicht, wer gerade Deutscher Meister geworden ist – wobei kürzlich Plugins und die Internetrecherche in der Vollversion als Beta-Modell zum Ausprobieren freigeschaltet wurden.) Bard und Labs hingegen sind im Hintergrund mit den Internetrecherchefähigkeiten von Google verbunden und darum aktueller.

BingChat wiederum ist ein kostenloser, auf dem GPT-4 Modell von OpenAI basierender Chatbot von Microsoft, der aktuellere Informationen aus dem Internet ziehen kann (leider nur mit der mittelmäßigen Bing-Suche, nicht mit Google) und über zusätzliche visuelle Funktionen verfügt, die in anderen Chatbots meist noch fehlen​ (Google Bard hat Bildgenerierung gerade außerhalb der EU freigeschaltet, aber das funktioniert noch nicht gut, ich hab‘s probiert). Allerdings muss man für BingChat leider den Microsofts Edge Browser benutzen und darin mit einem Microsoft-Account angemeldet sein.

Google Bard: Meine Erfahrungen

Ich benutze den Chatbot Bard von Google jetzt seit wenigen Wochen und bin wirklich beeindruckt, wie sehr er sich verbessert hat. Als ich anfing, agierter er klobig und verstand meine Fragen nicht immer und auch seine Antworten waren hölzern. Aber mit der Zeit hat der Bot meine Fragen und Prompts immer besser verstanden und mir mehr leidlich hilfreiche Antworten gegeben. Man merkt auf jeden Fall, dass der Bot direkt mit den Inhalten des Internets per Google verbunden ist. Besonders beeindruckt bin ich von der Fähigkeit von Bard, realitätsnah zu versuchen, Rechtstexte nach deutschem Recht zu erzeugen, obwohl der Bot derzeit im Wesentlichen nur Englisch spricht. Das heißt konkret, dass der Bot derzeit so tut, als würde er weder Deutsch verstehen noch Text auf Deutsch ausgeben können (wir wissen natürlich alle, dass Google selbstverständlich sehr gut Deutsch kann, im Moment ist diese Funktion aber formal abgeschaltet). Fragen zu Themen in Deutschland oder zum deutschen Recht kann der Bot also sehr wohl inhaltlich beantworten, im Moment aber eben nur auf Englisch.

Nun bin ich Anwalt und muss mich oft sehr schnell mit sehr komplexen Rechtsfragen befassen. Hier kann Bard helfen: Der Chatbot ist zwar, so wie alle anderen Chatbots, nicht perfekt; insbesondere in juristischer Hinsicht entwirft er auch gerne mal Fantasiezitate, kann aber eben auch juristische Argumentationsweisen darstellen. Ich kann ihn einfach mal fragen, und er gibt mir in der Regel in Sekundenschnelle einen Entwurf, weitaus schneller als ChatGPT.

Fragen kann man Bard zum Beispiel danach, was die Bedingungen für eine Insolvenzantragspflicht sind oder wie die kommende KI-Regulierung für Europa aussehen wird. Im Unterschied zu ChatGPT merkt man, dass der Bot durch aktuelle Internetrecherche auf dem neuesten Stand gehalten wird. Es gibt auch einen Button, mit dem man den Inhalt, den man mit dem Prompt erzeugt hat, gleich nachgoogeln kann. Bard wird zudem immer besser darin, scheinbar geistreich und witzig zu sein. In den letzten Wochen habe ich schon einige Male mit dem (oder über den?) Bot gelacht (was vielleicht mehr über mich, als über den Bot aussagt).

Labs for Google Workspace: Der neue Chatbot von Google

Mit Labs hat Google eine zusätzliche Plattform eröffnet, die es Nutzern und Nutzerinnen ermöglicht, Chatbot-Funktionen in GoogleDocs und Gmail zu verwenden. So sieht das aus:

Google Labs

Google Labs

Labs ist bereits ziemlich wortgewandt. Er kann sogar deutsche Rechtsfragen ansprechen und Memos verfassen, leider zurzeit nur auf Englisch. Aber der Bot ist schon sehr empfänglich für präzise rechtliche Prompts und gleicht sich per Google mit dem Internet ab (manche nennen Labs (und Bard) daher auch potenzielle Plagiatsmaschinen, weil sie aktuelle Internetinhalte remixen). Es passieren etliche Fehler und manchmal hakt es auch. Aber: Labs holt gegenüber ChatGPT auf und kann bereits ein wertvolles Werkzeug sein. Man kann mit Bard schon Vertragsentwürfe erstellen, juristische Dokumente prüfen und juristische Memos verfassen. Es kann auch verwendet werden, um rechtliche Themen zu recherchieren und juristische Argumente zu entwickeln. Labs for Google Workspace ist ein leistungsstarkes Tool, mit dem Anwält:innen und Jurist:innen ihre Arbeit verbessern können.

Anwendungsbeispiele für Google Bard und Labs

Hier sind einige konkrete Beispiele dafür, wie Bard aber auch Labs for Google Workspace von Anwält:innen und Jurist:innen verwendet werden können. Beispielsweise können sie genutzt werden, um rechtliche Begriffe zu erklären. Ein Nutzer bzw. eine Nutzerin könnte fragen: "Was ist eine salvatorische Klausel (what is a severability clause)?" und das Tool könnte eine präzise und verständliche Erklärung liefern. Zudem kann es zur Vertragsanalyse eingesetzt werden. Ein kurzes Prompt wie "Erkläre die Klausel XY in diesem Vertrag", samt Einfügung der Klausel, kann schon eine detaillierte und leicht verständliche Interpretation der entsprechenden Vertragsklausel liefern.

Bard und Labs for Google Workspace können auch zur Erstellung juristischer Argumentationen verwendet werden. Das heißt, diese Tools können zum Organisieren und Analysieren von (auch von anderswo hineinkopierten) juristischen Fundstellen, Zitaten und Informationen bereitgestellt werden. Dies kann Anwälten und Anwältinnen helfen, starke Argumente zu entwickeln, die den Fall ihrer Mandanten und Mandantinnen unterstützen. Insgesamt sind Bard und Labs for Google Workspace leistungsstarke Tools, die Anwält:innen und Jurist:innen zur Verbesserung ihrer Arbeit nutzen können. Sie können Zeit sparen, die Genauigkeit verbessern und helfen, effizienter zu arbeiten.

Zwischenstand: Google holt auf, hat ChatGPT aber noch nicht eingeholt

ChatGPT ist derzeit nach meinem Eindruck nach eloquenter als Bard, dafür aber langsamer. BingChat hat den Vorteil, dass der Chatbot seine Ergebnisse auch live mit dem Internet abgleicht – das scheint aber auch Bard immer mehr zu machen. Vorteil bei Labs ist die Integration in Google Docs und Gmail, das macht die Nutzung sehr einfach. Was beiden Angeboten noch fehlt, ist die Möglichkeit, eigene Dokumente hochzuladen und dann mittels des Werkzeugs sprachlich abzuändern.

Derzeit kann man Bard als Bot in Deutschland lediglich per VPN benutzen, da Google momentan (wohl aus regulatorischer Vorsicht) die Anwendung in der EU gesperrt hat. Ein VPN einzurichten, ist allerdings sehr einfach.

Labs hingegen funktioniert auch ohne VPN, aber derzeit nur auf Einladung, hier ist zu hoffen, dass das Angebot bald für alle freigeschaltet wird. Insoweit freue ich mich, dass ich interessierten Leuten schon einen Vorgeschmack bieten kann.

Insgesamt bin ich von Googles Bard und Labs beeindruckt. Es sind leistungsstarke Tools, die für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt werden können. Ich bin gespannt, wie sich die Angebote von Google in Zukunft weiter verbessern werden. Über weitere Updates werden wir Sie hier auf ki-in-kanzleien.de informieren.

WICHTIG: Bitte beim Umgang mit Bots und Dialogsystemen immer beachten: Datenschutz personenbezogener Daten, Anwaltsgeheimnis, Urheber- und andere IP-Rechte, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind immer streng zu wahren. Höchste Sorgfalt und Obacht sind geboten beim Hineinkopieren von Texten in diese Plattformen; grundsätzlich immer anonymisiert.

Tom Braegelmann

Tom Braegelmann ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Annerton. Er ist ein international erfahrener Insolvenz- und Restrukturierungsexperte, war zuvor für namhafte Wirtschaftskanzleien tätig und ist sowohl in Deutschland als auch in den USA als Anwalt zugelassen. Als Anwalt mit Schwerpunkt auf Bankruptcy Law/Insolvenz- und Urheberrecht war er über drei Jahre in New York tätig. Tom Braegelmann ist bestens vertraut mit den neuesten technologischen juristischen Entwicklungen, insbesondere mit der Digitalisierung des Wirtschafts-, Restrukturierungs- und Insolvenzrechts.
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