ChatGPT oder DeepSeek: Lohnt sich der Umstieg?

Während OpenAI noch damit beschäftigt ist, seine Künstliche Intelligenz zu polieren und über die Plattform X immer wieder neue Funktionen ankündigt, betritt ein neuer Akteur die Bühne: DeepSeek, ein Wunderkind, das verspricht, mit einem Bruchteil der Rechenleistung „klüger“ zu sein als seine Konkurrenten. Das System übertrifft nach dem ersten Einruck ChatGPT: Die Antworten sind teilweise präziser, besser strukturiert und häufig auch aktueller – und das ohne große Ladezeiten. Möglich macht dies ein hocheffizientes Auswahlsystem, das nach eigenen Angaben nur die jeweils benötigten Bereiche der KI aktiviert und dabei mit bis zu 95 Prozent weniger Rechenleistung auskommt – eine bemerkenswerte Effizienz, wenn es denn stimmt.

DeepSeek
Ist DeepSeek für Kanzleien die bessere Alternative zu ChatGPT? © Adobe Stock/maurice norbert

Kann DeepSeek Jura?

In der Praxis zeigt DeepSeek bereits beachtliche Fähigkeiten bei juristischen Fragestellungen nach deutschem Recht. Es kennt die deutschen Normen und vertut sich nicht in der „Hausnummer“. So zeigt sich DeepSeek erstaunlich versiert – wenn auch nicht unfehlbar. Wer aber sein juristisches Handwerk versteht, kann dem System durchaus brauchbare mundgerechte Texte entlocken und damit effizient fachsprachlich präzise Textbausteine und Zusammenfassungen generieren, die als Grundlage für die weitere juristische Arbeit sehr zeitsparend genutzt werden können. Das System kann deutsche Rechtsfragen bearbeiten und dazu effektiv im Internet recherchieren (leider nicht in den gängigen proprietären juristischen Datenbanken, for good reasons) – Funktionen, die auch ChatGPT mit seiner noch relativ neuen Internetsuche anbietet, bei DeepSeek aber irgendwie ausgereifter erscheinen: Die DeepSeek-Suche wirkt oft einfach besser als die von ChatGPT.

Vor- und Nachteile von DeepSeek

Bei der Nutzung über die offizielle Website oder App zeigen sich allerdings deutliche inhaltliche Beschränkungen bei politischen Themen und Fragen zur chinesischen Staatsführung. Diese Einschränkungen lassen sich durch Herunterladen des DeepSeek R1-Modells und dessen lokale Installation auf eigenen Rechnern ohne Datenabfluss nach China weitgehend umgehen. Meine Lieblingskombination im Moment: die KI-Suchmachine Perplexity mit R1 von DeepSeek – beste Suche samt KI-Chatbot, aber ohne chinesische Zensur.

Da diese digitale Emanzipation jedoch mehr technisches Geschick erfordert als der durchschnittliche Nutzer aufbringen möchte und kann, schlägt hier die Stunde der örtlichen Anbieter: Diese sind technisch in der Lage, die neuesten KI-Modelle in ihre Dialogsysteme einzubauen – in Deutschland, gehostet in einer deutschen Cloud, mit Rechtskonformität/Compliance in Bezug auf Datenschutz und Anwaltsgeheimnis. DeepSeek wird dabei besonders interessant, weil es bei vergleichbarer Qualität weniger Speicherplatz und Rechenkapazität benötigt, was die örtlichen Anbieter für die Verbesserung ihrer Angebote nutzen werden.

Hinzukommt: DeepSeek ist in allen App-Stores der Welt mittlerweile auf Platz eins und geht deswegen manchmal in die Knie und ist nicht erreichbar – eine Kinderkrankheit, wie die auch bei ChatGPT zu beobachten war. ChatGPT hat hingegen nun seinen „Operator“ veröffentlich, ein KI-Agent, der selber den ganzen Bildschirm lesen und dort Eingaben machen und Dinge anklicken kann. Das hat DeepSeek nicht, allerdings ist der Operator bislang noch zu hakelig, um nützlich zu sein.

Nutzung von DeepSeek und Datenschutz

Auch das Hochladen und Auswerten von Dokumenten ist in DeepSeek möglich, insbesondere von anonymisierten urheberrechtsfreien Gerichtsentscheidungen – wobei hier im Übrigen aus Gründen des Datenschutzes und der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht große Vorsicht geboten ist, wenn es um Mandatsunterlagen geht. Auch das Schwärzen sensibler Passagen bietet möglicherweise keinen ausreichenden Schutz. Merke: Selbst das sorgfältigste Schwärzen (und wenn, dann bitte digital richtig schwärzen, nicht Dokumente ausdrucken, schwarz anmalen und dann wieder einscannen) bietet hier keinerlei Garantie für digitale Diskretion, gerade weil leistungsstarke KI aus dem Zusammenhang mehr de-anonymisieren kann, als viele sich vorstellen können.

Die Open-Source-Natur von DeepSeek wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert, da nicht alle Kriterien der gängigen Open-Source-Definition erfüllt werden. Ein kritischer Aspekt ist die Intransparenz bezüglich der Trainingsdaten – es bleibt unklar, mit welchen Datenquellen das Modell tatsächlich trainiert wurde.

Einsatz in der Anwaltschaft

Für den professionellen Einsatz in der Anwaltschaft bestehen erhebliche rechtliche Hürden: Mit dem Anbieter DeepSeek existieren derzeit keine brauchbaren Auftragsverarbeitungsvereinbarungen, geschweige denn Regelungen zum Datentransfer personenbezogener Daten außerhalb der EU nach China. Auch fehlen jegliche Vereinbarungen bezüglich des in Deutschland strafrechtlich und berufsrechtlich geschützten Anwaltsgeheimnisses. Die Nutzung von DeepSeek (und ChatGPT, da gibt es zwar ein DPA, aber kein NDA bezüglich des straf- und berufsrechtlichen Schutzes des deutschen Anwaltsgeheimnisses) für mandatsbezogene Daten ist daher ausgeschlossen.

ChatGPT punktet weiterhin deutlich durch seine ausgereifte Benutzeroberfläche mit Canvas-Integration und anderen Features. Beide Systeme haben ihre spezifischen Stärken: DeepSeek überzeugt durch seine innovative Architektur und zeigt besonders bei der Suche beeindruckende Leistungen, wobei auch ChatGPT hier deutliche Verbesserungen vorweist. Ein besonderes Merkmal von DeepSeek ist die Darstellung des Denkprozesses („Reasoning“) – ein interessantes Feature. Man kann beim „Denken“ zusehen, was für manche Nutzer/-innen wertvoll sein kann (z. B. zur Entwicklung von Folge-Prompts).

Fazit

Die Entscheidung zwischen den Systemen sollte von den spezifischen Anforderungen abhängen. Während DeepSeek mit seiner innovativen Architektur und effizienten Leistung durchaus überzeugt, bietet ChatGPT nach wie vor die ausgereiftere und nutzerfreundlichere Gesamterfahrung. Gerade für die anwaltliche Praxis müssen aber die rechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekte besonders sorgfältig abgewogen werden. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dürfte die beste Lösung in der Nutzung deutscher Hosting-Dienste (z. B. von Libra, Bryter und PrimeLegal) anstelle von DeepSeek/ChatGPT/Perplexity/Claude liegen, die verschiedene Sprachmodelle sowohl DSGVO-konform als auch nach deutschem Berufsrecht und Anwaltsgeheimnis rechtskonform bereitstellen.

Diese Anbieter punkten nicht nur als „Legal Wrapper“ für die rechtskonforme KI-Nutzung, sondern überzeugen zunehmend durch fachspezifische Inhalte, juristisches Domänenwissen, Kenntnis und Verständnis für Kanzleikunden und eine auf die Bedürfnisse der Anwaltschaft zugeschnittene Benutzeroberfläche. Aus Deutschland werden in naher Zukunft weitere vielversprechende Angebote für Juristen/-innen zu erwarten sein, weil DeepSeek diesen den Marktzutritt erleichtert und die Kosten senkt.

Für interessierte Leser/-innen: Ich kenne bereits verschiedene Angebote am Markt aus Deutschland als „Legal Wrapper“, empfehle diese auf Anfrage und und berate gerne zu den spezifischen Möglichkeiten für Kanzleien.

Im Übrigen bleibt nur die Erkenntnis: Man erkennt den unaufhaltsamen Siegeszug einer neuen Technologie nicht zuerst an ihrer Leistungsfähigkeit, sondern an der Anzahl der Juristen/-innen und Gesetze, die sie erfolglos zu bändigen versuchen, aber dadurch nur noch mächtiger machen denn je.

Webinar: DeepSeek im Kanzleialltag einsetzen

► Deep Seek: Was ist das und
warum der Hype?
► ChatGPT vs. DeepSeek bei der
Rechtsrecherche
► Rechtliche Grenzen

Tom Braegelmann

Tom Braegelmann ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Annerton. Er ist ein international erfahrener Insolvenz- und Restrukturierungsexperte, war zuvor für namhafte Wirtschaftskanzleien tätig und ist sowohl in Deutschland als auch in den USA als Anwalt zugelassen. Als Anwalt mit Schwerpunkt auf Bankruptcy Law/Insolvenz- und Urheberrecht war er über drei Jahre in New York tätig. Tom Braegelmann ist bestens vertraut mit den neuesten technologischen juristischen Entwicklungen, insbesondere mit der Digitalisierung des Wirtschafts-, Restrukturierungs- und Insolvenzrechts.

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