Einsatzmöglichkeiten von GPT-4o zur Optimierung der Steuerberatung

Anleitung zur Erstellung eines eigenen Custom GPT im Steuerrecht

Von Martin Figatowski

Die technologische Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) schreitet weiter rasant voran. Insbesondere im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz hat OpenAI mit der Einführung von GPT-4 und insbesondere zuletzt mit dem seit dem 13.05.2024 zugänglichen Modell GPT-4o (das "o" steht für "omni") bedeutende Fortschritte erzielt. Diese Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten, insbesondere im steuerrechtlichen Bereich durch die Erstellung und den Bau von sogenannten “Custom GPTs”.

Custom GPT Steuerrecht
Effiziente Nutzung von ChatGPT-4o in der Steuerberatung. ©mast3r

I. Kurzer Überblick über GPT-4o

GPT-4o ist ein mehrsprachiges und multimodales Modell, d. h. es verarbeitet Eingaben in Form von Text, Audio, Bild undVideo und kann Ausgaben in Text, Audio sowie Bild generieren. Die Antwortzeit auf Audioeingaben beträgt im Durchschnitt 320 Millisekunden, was nahezu der menschlichen Reaktionszeit entspricht. Das Modell zeigt zudem signifikante Verbesserungen im Bereich des Verständnisses von visuellen und akustischen Informationen als auch von Texten und kann auf eine breite Palette von Eingaben präzise reagieren.

II. Anwendung von GPT-4o im Steuerrecht

Die Möglichkeit, ein Custom GPT basierend auf GPT-4o zu erstellen, eröffnet zahlreiche interessante Anwendungsmöglichkeiten im Steuerrecht. Ein Custom GPT ist eine spezialisierte Anpassung des allgemeinen GPT-Modells für spezifische Anwendungsbereiche. Im Steuerrecht kann ein solches Modell mit steuerjuristischen Texten wie Gesetzestexten, Urteilen und Verwaltungsanweisungen angereichert werden, um die Fähigkeit von GPT-4o zu verbessern, relevante und spezifische Informationen in diesem Bereich zu verstehen und zu generieren. Durch die Hinzugabe dieser qualitativen Daten kann auch die Problematik des „Halluzinierens” deutlich reduziert werden. Wichtig beim Übergeben von Daten als auch beim Prompten ist, dass die berufs-, datenschutz- und urheberrechtlichen Vorgaben stets eingehalten werden.

1. Use-Case Kassen-Chatbot

Ein praktischer Use-Case wäre zum Beispiel die Erstellung eines Chatbots, der Steuerberater Hilfestellungen beim Verständnis von § 146a Abgabenordnung (AO) bietet. Diese Vorschrift betrifft die Ordnungsvorschriften für die Buchführung und Aufzeichnung mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme und ist besonders relevant für Steuerberaterinnen und Steuerberater, die Mandantinnen und Mandanten zum Beispiel aus der Gastronomie betreuen, bei denen Kassensysteme eine erhebliche steuerliche Bedeutung haben.

Zu der Vorschrift des § 146a AO hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 30. Juni 2023 ein 41 Seiten langes Schreiben “Neufassung des Anwendungserlasses zu § 146a AO GZ IV D 2 - S 0316-a/20/10003 :006 DOK 2023/0631092” erlassen.

Nachfolgend soll der Bau eines “Kassen-Chatbots” mit dem o.g. Schreiben als Primärquelle skizziert werden, welcher Fragen zu dem hochgeladenen Dokument präzise beantwortet.

2. Anleitung zum Bau eines Kassen-Chatbots

Der GPT-Store von OpenAI bietet über die Menü-Leiste „Explore GPTs“ die Möglichkeit, einen individuellen Custom GPT zu erstellen. Der Prozess zum Bau eines Custom GPTs umfasst mehrere Schritte:

2.1. Chatbot erstellen

Im ersten Schritt ist zur Initialisierung eines Custom GPT der Button "Erstellen” anzusteuern.

2.2 Handlungsanweisungen für den Custom-GPT festlegen

Im nächsten Schritt können Name, Funktion, Bild und Handlungsanweisungen des Custom GPT über den Reiter „Erstellen” durch ein Frage-Antwort-System (GPT-Builder) eingegeben werden. Alternativ ist eine direkte Eingabe der relevanten Informationen über den Reiter "Konfigurieren” möglich.

Eine aussagekräftige Beschreibung für den Chatbot wäre zum Beispiel

“Ein Chatbot, der Steuerberater bei Mandanten mit Kassen steuerrechtlich unterstützt und präzise Antworten zu den Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme gibt.”

Besonders wichtig für die Einrichtung des Chatbots ist das Feld Hinweise („instructions”). Über dieses Feld werden unter anderem die Handlungsanweisungen und das Antwortverhalten des Chatbots gesteuert. An dieser Stelle erfolgt auch der Hinweis, dass der Chatbot vor jeder Antwort das hochgeladene Schreiben des BMF zu § 146a AO vor jeder Antwort referenziert. Im vorliegenden Fall wären zum Beispiel folgende Anweisungen an den Chatbot sinnvoll:

a) Struktur und Genauigkeit der Antworten

Präzision und Genauigkeit: Alle Antworten müssen präzise und genau sein, um den steuerrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Vermeide allgemeine oder ungenaue Aussagen.

Zitieren von Quellen: Jede Antwort muss die Quelle der Information angeben, einschließlich des vollständigen Titels des Gesetzes, des Abschnitts, der Paragraphennummer und, falls zutreffend, der genauen Fundstelle in der juristischen Literatur oder des Gerichtsurteils.

Rechtliche Argumentation: Die Antworten sollten eine klare und gut strukturierte rechtliche Argumentation enthalten, um die angegebene Information zu unterstützen.

b) Nutzung und Zitierung von Rechtsquellen

Primärquelle: Verwaltungsanweisung (Neufassung des Anwendungserlasses zu § 146a AO, siehe hochgeladenes Dokument)

c) Sprachstil und Interaktion

Formeller und professioneller Sprachstil: Der Chatbot sollte eine formelle und professionelle Sprache verwenden.

Klare Strukturierung: Antworten sollten klar strukturiert sein, mit Unterteilungen in Absätze, Punkte oder nummerierte Listen, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Erklärungen und Definitionen: Bei der Erklärung von Fachbegriffen oder komplexen Sachverhalten sollte der Chatbot verständliche und klare Definitionen liefern.

Ziel: Sicherstellen, dass der Chatbot den steuerrechtlichen Anforderungen entspricht und Steuerberater durch präzise, fundierte und gut strukturierte Antworten unterstützt. Die klare Zitierweise und die Verwendung relevanter Rechtsquellen tragen zur Qualität und Vertrauenswürdigkeit der gegebenen Informationen bei.

2.3 Relevante Daten einpflegen

Im dritten Schritt erfolgt die Übergabe von relevanten Daten an das GPT-4o Modell. Aufgrund der Handlungsanweisung verweist GPT-4o vor jeder Antwort auf diese Dokumente als Primärquelle. Für den Kassen-Chatbot wurde das gesamte Schreiben zu § 146a AO als Dokument (zum Beispiel Word oder PDF) hochgeladen.

2.4 Abschluss des Erstellvorgangs

Im letzten Schritt erfolgt die Speicherung des Chatbots (Button: „Erstellen”), wobei auszuwählen ist, ob dieser privat oder öffentlich genutzt werden soll. Für steuerliche Zwecke empfiehlt sich die Auswahl "privat". Alternativ kann der Kasse-Chatbot mit anderen GPT-4 Usern über einen Link geteilt werden.

3. Beispielprompts

Nach der Fertigstellung ist eine Nutzung des Custom GPTs wie bei einem normalen GPT-4 Agent möglich. Beispielhafte Prompts könnten sein:

„Ein Mandant hat seine alte Kasse durch eine neue TSE-Kasse ersetzt. Welche Schritte sind bei der Bedienung einer TSE-Kasse steuerrechtlich zu beachten?“

Dieser Prompt könnte weitergeführt werden mit der Bitte an den Chatbot, ein entsprechendes Anschreiben an den Mandanten zu dem ausgegebenen Ergebnis vorzubereiten.
Prompt:

„Erstelle ein kurzes Anschreiben für meinen Mandanten, wo in dem diese Punkte systematisch und verständlich dargestellt werden.“

4. Fazit

Die Einführung von GPT-4o durch OpenAI sowie die Möglichkeit, Custom GPTs zu erstellen, bieten bietet im Steuerrecht vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Die Integration von GPT-4o in den Arbeitsalltag einer Steuerkanzlei könnte unter anderem zu einer höheren Effizienzsteigerung der steuerlichen Beratungsprozesse führen, indem sie präzisere, schnellere und kostengünstigere Lösungen bietet. Angesichts der schnellen Entwicklungen dieser Technologie ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Modellen bzw. mit der generativen generativer Künstlichen Intelligenz für Steuerberater von Vorteil.

Martin Figatowski

Martin Figatowski ist Rechtsanwalt in der Kanzlei GTK Rechtsanwälte mit besonderem Fokus auf die Besteuerung von Kryptowährungen sowie blockchainbasierten Geschäftsmodellen.

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