Künstliche Intelligenz verändert die Rechtswelt – und spätestens seit Inkrafttreten von Artikel 4 KI-VO ist klar: Juristinnen und Juristen müssen sich mit KI auskennen. Art. 4 der KI-Verordnung verlangt, dass in allen Bereichen, in denen KI entwickelt, genutzt oder reguliert wird, ein entsprechendes Verständnis vorhanden ist. Doch wie und wo beginnt man am besten, sich dieses Wissen anzueignen? Genau hier setzt der AI Legal Club an: Der AI Legal Club ist eine Plattform, die sich ausschließlich an die Rechtsbranche richtet und praxisnahes Lernen in einer Community ermöglicht. Wir sprachen mit Mitgründerin Anisja Porschke über die Vorteile des AI Legal Clubs, wer Mitglied werden kann – und welcher Soft Skill im Umgang mit KI entscheidend ist.

Frau Porschke, warum haben Sie und Ihre Mitgründer:innen beschlossen, dass es an der Zeit ist, einen AI Legal Club für Juristen und Juristinnen ins Leben zu rufen?
Die konkrete Idee für den AI Legal Club ist entstanden, nachdem mein Mitgründer Aaron gemeinsam mit der Bucerius Education GmbH und dem Legal Tech Verband den Onlinekurs „KI für Jurist:innen” entwickelt hat. Das Interesse an dem Kurs war sehr groß, sodass die Überlegung im Raum stand, daraus ein dauerhaftes Angebot zu machen.
Ich war zu dem Zeitpunkt noch Legal Product Manager bei einem Legal Tech-Unternehmen und unter anderem für das Thema KI verantwortlich. Da konnte ich hautnah miterleben, wie viel Potential in KI für den Rechtsmarkt steckt. Aber vor allem war da ein echtes Momentum, mit dem ich nicht gerechnet hatte: Jurist:innen haben Lust, KI auszuprobieren! Das ist ja bei unserer Branche nicht selbstverständlich.
Ende 2024 war für uns dann klar, dass die Zeit reif ist: Viele Kanzleien und Rechtsabteilungen hatten erste Workshops durchgeführt und teilweise sogar schon KI-Projekte gestartet. Am Ende waren es aber doch meistens nur eine Handvoll Leute, die diese Themen vorangetrieben haben – während der Rest oftmals bis heute nicht weiß, wie sie KI wirklich sinnvoll (und sicher) einsetzen können. Diese Lücke musste aus unserer Sicht geschlossen werden. Denn nur wenn alle in einer Organisation grundlegende KI-Kompetenzen besitzen, kann eine Organisation sich auch erfolgreich wandeln. Das gilt insbesondere für den Rechtsmarkt.
Jurist:innen brauchen ein grundlegendes Verständnis davon, wie sich die Praxis durch KI verändern wird und welche Chancen und Risiken es gibt.
Im Alltag ist ein souveräner Umgang mit KI enorm wichtig und sinnvoll (genauso wie es das mit Word und Excel der Fall ist). Wir haben uns dann ganz bewusst entschieden, ein branchenspezifisches Angebot zu schaffen, weil der Praxisbezug für ein nachhaltiges Lernen notwendig ist. Das passt im Übrigen auch zu den Vorgaben des Artikel 4 KI-VO, der eine kontextbezogenen Erwerb von KI-Kompetenzen fordert.
Was sind die Voraussetzungen, um Mitglied im AI Legal Club zu werden?
KI- oder Tech-Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, um Mitglied im AI Legal Club zu werden. Unsere Formate sind so strukturiert, dass für Anfänger und Fortgeschrittene etwas dabei ist. Wir haben zum einen den Onlinekurs „AI Legal ready & compliant” entwickelt. Dieser vermittelt das wesentliche Wissen zu Künstlicher Intelligenz, das Jurist:innen benötigen. Damit erfüllt man übrigens auch die Anforderungen von Art. 4 KI-VO. Aber darüber hinaus bieten wir auch Inhalte an, die sich an Fortgeschrittene richten. Das sind für uns Personen, die schon erste Berührungspunkte mit KI hatten, und jetzt auf der Suche nach Angeboten sind, die sie in der täglichen Praxis weiterbringen.
Es muss auch niemand Volljurist:in sein, um bei uns zu lernen. Aber es ist auf jeden Fall sinnvoll, im Rechtsmarkt tätig zu sein. Sei es als Anwalt, Referendarin, Legal Counsel, Legal Engineer oder Rechtsanwaltsfachangestellte.
Unsere Anwendungsbeispiele beziehen sich auf Tätigkeiten, die vor allem in Kanzleien und Rechtsabteilungen anfallen. Wir stellen KI-Tools vor, die insbesondere für Jurist:innen spannend sind und legen einen Schwerpunkt auf rechtliche Themen.
Welche konkreten Vorteile bietet der AI Legal Club für Mitglieder?
Aus meiner Sicht sind drei Vorteile wesentlich: Mitglieder im AI Legal Club lernen praxisnah. Alle Beiträge werden von Expert:innen erstellt, die im Rechtsmarkt tätig sind – anders als allgemeine Formate wie LinkedIn Learning setzen wir also genau dort an, wo unsere Mitglieder stehen. Das heißt, wir schauen uns Anwendungsfälle aus dem juristischen Alltag an – was nicht heißen muss, dass wir nicht auch mal ein operatives Thema besprechen. Zudem schauen wir uns die konkreten rechtlichen Herausforderungen beim Einsatz von KI an und geben Impulse, wie man KI-Projekte erfolgreich angeht. So befähigen wir unsere Mitglieder, selbst den Wandel in ihren Rechtsabteilungen und Kanzleien voranzutreiben.
Zweiter Vorteil: Wir bieten kontinuierlich neue Inhalte und finden durch die unterschiedlichen Formate (Webinare, Workshops, Onlinekurse) verschiedene Anknüpfungspunkte, um unsere Mitglieder abzuholen. So wird es nie langweilig und die Motivation bleibt hoch.
Der dritte große Vorteil ist die Community – wir bieten eine neue Möglichkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen. Aus meiner Zeit als Legal Product Manager weiß ich, dass manchmal richtige Gesprächspartner für ein konkretes Thema nicht im eigenen Team sitzen, sondern man eigentlich jemanden aus einem anderen Unternehmen braucht.
Wie unterstützt der AI Legal Club seine Mitglieder dabei, mit der rasanten Entwicklung von KI Schritt zu halten – sowohl im Hinblick auf neue Chancen als auch auf rechtliche Herausforderungen?
Typischerweise sind Schulungen Blockveranstaltungen. Das ist als Kickoff gut, dient aber keinem dauerhaften Lernfortschritt. Wir bieten stattdessen kontinuierlich neue Inhalte an, in Form wöchentlicher Webinare und Beiträge. Dadurch bleiben unsere Mitglieder auf dem Laufenden und können Wissen verfestigen.
Inhaltlich werden wir uns dabei auch immer wieder neue technologische Entwicklungen anschauen und besprechen, was diese für die juristische Praxis bedeuten. Und es gibt monatlich ein Update zu allen rechtlichen Entwicklungen: welche Urteile sind spannend, welche Gesetzgebungsverfahren aktuell relevant. Das darf natürlich auf einer Lernplattform für Jurist:innen nicht fehlen.
Abschließend interessiert uns Ihre persönliche Einschätzung: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle von KI im juristischen Bereich in den nächsten Jahren entwickeln und welche Kompetenzen sollten Jurist:innen heute erwerben, um für diese Zukunft gewappnet zu sein?
Der bekannte Blick über den Tellerrand bleibt aus meiner Sicht die wichtigste Kompetenz. Das muss gar nicht unbedingt Technologie sein, sondern kann sich auch auf andere Gebiete beziehen. Wichtig ist vor allem, sich schnell in andere Themen und Menschen hineinversetzen zu können, denn wir arbeiten einfach immer häufiger interdisziplinär.
Außerdem wird ein Grundverständnis für Technologie in Zukunft unerlässlich. Ich muss als Jurist:in zumindest in der Lage sein, zu verstehen, was es für mich bedeutet, wenn eine Technologie immer mehr Aufgaben übernimmt.
Ich will ich ja nachvollziehen, was meine Mandantin oder die Fachabteilung gerade so macht. Hier wird ein grundlegendes Verständnis von Technologie immer mehr zur Grundvoraussetzung einer produktiven Zusammenarbeit.
Zu guter Letzt: Ein Softskill, der definitiv zu kurz kommt, ist die Fehlertoleranz. Gar nicht, weil Künstliche Intelligenz ständig Fehler macht. Sondern weil eine gesunde Fehlertoleranz hilft, um neue Dinge zu wagen. Das ist besonders wichtig, weil viele Kanzleien ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln werden – und bestimmt klappt das ein oder andere da auch mal nicht. Das sollte aber nie bedeuten, es nicht zu versuchen.
Neues Regelwerk:
der AI Act
Der EU AI Act bringt neue Regeln für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Kanzleien. Die neue Ausgabe des KI-in-Kanzleien-Magazins zeigt, wie neue Tools wie beck-chat und Frag den Grüneberg, den Kanzleialltag bereits heute erleichtern und was es bei der Nutzung von KI zu beachten gibt.

Anisja Porschke
Anisja Porschke ist Volljuristin und Co-Founder des AI Legal Clubs, einer KI-Lernplattform für Juristen, welche als Joint-Venture mit der Bucerius Education GmbH gegründet wurde. Zuvor hat sie drei Jahre als Legal Product Manager das Legal Tech Startup Fides Technology mit aufgebaut.